Dr. Rolf Schmachtenberg / BMAS
© J. Konrad Schmidt / BMAS
MYSTORY with …

Rolf
64 Years, Berlin

“It has always been important to me
to live with children, to be linked to
the future through children…”

Published: March 2023

Long Ways.

The first time I had sex with a man, it was still forbidden – it happened in what was then West Germany. Shortly after that, rumours about a newly discovered virus began to spread. Deadly. Soon it was clear that homosexual men were particularly affected. The German magazine Der Spiegel wrote about the “Schwulen-Pest,” a translation of the term Gay Plague. We had to be cautious.

Today I live in a different world. I am married to a man. And we have children, too.

This would not have been possible without fundamental changes in our laws during the last 30 years. What seems to be nothing special today was wishful dreaming or even unthinkable back then.

It has liberated me. I came out when I moved to Berlin, quite late, at the age of 35. My life would have been different if I had been clear about who I was and how I loved earlier. I had been living with a vague idea of bisexuality far too long. Today I think this was also because at that time I could not imagine how to combine my desire to have children and my love for men.

I am very grateful to all those in my life who have encouraged me on this path and made it possible. And I am happy for everyone who clearly knows early on and I understand everyone who needs time for this. The open interaction in queer networks can help and encourage people on this way. And these networks now exist in many federal agencies, including the ministries of the Federal Government.

LGBTIQ* employees still experience discrimination in the workplace far too often. Even small talk at the coffee machine can quickly lead to an unwanted outing. Often enough, not only their well-being at work, but also their professional future depends on the reactions of their superiors and colleagues. But only those who feel at ease can deliver the best results at work. Organisations, companies and administrations can actively contribute to an inclusive corporate culture. On INQA.de you can read how networks or interest groups in companies can help to improve the situation of LGBTIQ* employees at work.

Ending discrimination requires the support of those who are not affected. Through active solidarity (allyship), companies can promote diversity in the world of work. On INQA.de you find five tips on how managers and employees can work for diversity and show: We are Allies!

ROLF, Thank you very much for YourStory!
Dr. Rolf Schmachtenberg / BMAS
© J. Konrad Schmidt / BMAS
MYSTORY mit …

Rolf
64 Jahre, Berlin

„Mir war es immer wichtig,
mit Kindern zu leben, durch Kinder
ein Band zur Zukunft zu haben…“

Veröffentlicht: März 2023

Lange Wege.

Als ich das erste Mal mit einem Mann Sex hatte, war dies noch verboten – es geschah im damaligen Westdeutschland. Kurz danach verdichteten sich die Gerüchte über einen neuentdeckten Virus. Tödlich. Bald war klar, dass homosexuelle Männer besonders betroffen waren. Der Spiegel schrieb dann von der „Schwulen-Pest“, in Übersetzung des Begriffs Gay Plague. Vorsicht war angesagt.

Heute lebe ich in einer anderen Welt. Bin mit einem Mann verheiratet. Und Kinder haben wir auch.

Das wäre nicht möglich ohne grundlegende Änderungen unserer Gesetze während der letzten 30 Jahre. Was heute selbstverständlich scheint, war damals Wunschtraum oder sogar undenkbar.

Mich hat es befreit. Zu meinem Coming-Out kam ich erst, als ich nach Berlin umgezogen war, recht spät, mit 35 Jahren. Mein Leben wäre anders verlaufen, hätte ich es früher für mich klar gehabt und auf den Punkt gebracht, wer ich bin und wie ich liebe. Viel zu lange schwankte ich mit einer vagen Idee von Bisexualität. Heute denke ich, das lag damals auch daran, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie ich meinen Kinderwunsch und meine Liebe zu Männern miteinander vereinbaren könnte.

Ich bin allen sehr dankbar, die mir in meinem Leben auf diesem Weg Mut zugesprochen, ihn ermöglicht haben. Und ich freue mich für jede*n, der für sich früh Klarheit hat und verstehe jede*n, der dafür Zeit braucht. Dabei kann der offene Umgang in queeren Netzwerken Ermutigung geben. Und die gibt es mittlerweile in vielen Bundesbehörden, darunter auch die Ressorts der Bundesregierung.

LSBTIQ*-Beschäftigte erfahren immer noch viel zu oft Diskriminierung am Arbeitsplatz. Schon der kleine Smalltalk am Kaffeeautomaten kann schnell zu einem ungewollten Outing führen. Oft genug hängt von ihren Reaktionen der Vorgesetzen und Kolleg*innen nicht nur das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, sondern auch die berufliche Zukunft ab. Doch nur wer sich wohlfühlt kann die beste Arbeitsleistung erbringen. Organisationen Unternehmen und Verwaltungen können aktiv zu einer inklusiven Unternehmenskultur beitragen. Auf INQA.de lesen Sie wie besonders Netzwerke oder betriebliche Interessengruppen zu einer besseren Arbeitssituation von LSBTIQ*-Beschäftigten beitragen können.

Um Diskriminierung zu beenden braucht es die Unterstützung der nicht Betroffenen. Denn durch aktives Solidarisieren (Allyship) können Unternehmen die Vielfalt in der Arbeitswelt fördern. Auf INQA.de lesen Sie fünf Tipps, wie sich Führungskräfte und Beschäftigte beim Thema Diversity engagieren und zeigen: Wir sind Allys!

ROLF, vielen Dank fĂĽr YourStory!
Kampagnenfoto mit Slogan "Visibiles #theLworksout"

Kampagne: #theLworksout zum diesjährigen Lesbian Visibility Day

Lesbische Personen und auch bisexuelle Frauen werden oft nicht wahrgenommen, man spricht von Lesbian Invisibility. Es gibt bis heute wenige sichtbare lesbische Vorbilder – insbesondere im Business-Kontext. In vielen Netzwerken sind lesbische Personen in der Minderzahl. Dadurch fehlen die Bezugspersonen für neue und jüngere Kolleg_innen. Durch die netzwerk- und branchenübergreifende Kampagne #theLworksout am 26. April, können wir die offen lesbischen Personen stärken und gemeinsam durch eine große Anzahl an Teilnehmer_innen Sichtbarkeit schaffen sowie die Vielfalt lesbischer Personen verdeutlichen.

Wie kann ich an der Aktion teilnehmen?
  • Informieren und sprechen Sie lesbische Personen aus dem eigenen Netzwerk und darĂĽber hinaus an, um sie auf die Aktion aufmerksam zu machen
  • Erstellen Sie ein Porträtfoto mit Hilfe der Vorlagen, egal ob ausgedruckt oder digital mit dem Tablet. Gerne können Sie die Vorlage auch in bspw. Graustufen nutzen. (Klären Sie im Vorfeld unbedingt ab, ob Sie das Unternehmenslogo der_des Arbeitgeber_in zusammen mit der Vorlage nutzen dĂĽrfen. Stattdessen können Sie den Unternehmensnamen verwenden oder die Vorlage ohne Unternehmensangabe nutzen.)
  • Posten Sie ihr eigenes Kampagnenfoto am 26. April 2023 ab 10:00 Uhr mit den jeweiligen Hashtags und Taggings auf denen von Ihnen genutzten Social Media Kanälen
Hashtags

#theLworksout
#LesbianVisibilityDay
#LesbianVisibility
#LesbischeSichtbarkeit
#LGBTIQBusinessLadies
#ProutAtWork
#LGBTIQRoleModels
#FlaggeFĂĽrVielfalt

Taggings

PROUT AT WORK
Facebook: @PrOut@Work
Instagram: @proutatwork
LinkedIn: @PROUT AT WORK-Foundation
Twitter: @proutatwork

Ggf. eigenes Unternehmen

Positionieren Sie sich und Ihr Unternehmen als UnterstĂĽtzer_in der Kampagne und fĂĽr lesbische Sichtbarkeit und rufen Sie Mitarbeiter_innen zur Teilnahme auf.
Die Kampagne wurde gemeinsam von der PROUT AT WORK-Foundation und LGBT*IQ-Unternehmensnetzwerken initiiert.

Tipps fĂĽr lesbische Personen

Ein lesbisches Coming Out kann auch heute immer noch mit Schwierigkeiten und Diskriminierungserfahrungen verbunden sein. Wenn es Ihnen hilft,

  • suchen Sie sich VerbĂĽndete / Role Models im Unternehmen.
  • vernetzen Sie sich mit dem LGBT*IQ-Netzwerk.
  • suchen Sie sich UnterstĂĽtzung im Umgang mit unpassenden Kommentaren oder diskriminierendem Verhalten.
  • denken Sie immer daran: Sie bestimmen den Zeitpunkt und die Art Ihres Coming Outs.

Tipps FĂĽr Unternehmen

  • FĂĽr Unconscious Bias sensibilisieren
  • Klare Anforderungsprofile schaffen
  • Einstellungsverfahren anonymisieren
  • Aufbau / Stärkung des internen LGBT*IQ-Netzwerks

AusfĂĽhrliche Informationen zu den einzelnen Punkten sind in der Studie “The L-Word in Business” zu finden. Diese beschäftigt sich mit der Situation lesbischer Frauen in der Arbeitswelt – mit Handlungsempfehlungen fĂĽr Arbeitgeber_innen.

TIpps fĂĽr Allies

  • Informieren Sie sich ĂĽber lesbische Themen.
  • Nutzen Sie eine genderinklusive Sprache.
  • Fetischisieren Sie keine lesbischen Beziehungen.
  • Setzen Sie sich fĂĽr die Rechte und gegen die Diskriminierung von lesbischen Personen ein. UnterstĂĽtzen Sie beispielsweise die Aktion nodoption, die sich gegen die Stiefkindadoption bei Regenbogenfamilien und fĂĽr die Anerkennung der Elternschaft einsetzt.

Beratungsstellen

Lesbenberatung Berlin

Die Lesbenberatung ist ein offener Ort fĂĽr Frauen, Mädchen, Trans* und Inter* in unterschiedlichen Lebenssituationen. 

LesMigras

LesMigraS ist der Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e.V.

Letra

LeTRa steht fĂĽr Lesben(T)Raum und ist ein Wirklichkeit gewordener Ort fĂĽr Lesben, der Beratungsstelle, Treffpunkt und Veranstaltungsort ist.

LIBS – Lesben Informations- und Beratungsstelle e.V.

LIBS e.V. ist psychosoziale Beratungsstelle und gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, den Ursachen und Folgen gesellschaftlicher Diskriminierung von lesbischen und bisexuellen Mädchen und Frauen entgegenzuwirken – sei es aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.

Regenbogenfamilien MĂĽnchen

Die Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien setzt sich dafür ein, gesellschaftliche Bedingungen, die Regenbogenfamilien aller Farben benachteiligt, totschweigt oder unsichtbar hält, zu verändern und zu verbessern.

Rosa Strippe

Der gemeinnützige Verein Rosa Strippe befasst sich mit den individuellen und gesellschaftlichen Problemen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* Personen und intersexuellen Menschen und leistet ihnen Hilfestellungen zur Lösung ihrer Probleme.

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Für einen Rückblick und spannende Zitate zur letztjährigen #theLworksout-Kampagne, schauen Sie auch gerne in unseren Beitrag zum Lesbian Visibility Day 2022.

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Weitere hilfreiche Informationen und Interviews finden Sie auch in unserem Beitrag
zum Lesbian Visibility Day 2021.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen in unserer Geschäftsstelle zur Verfügung.

RECAP

We were excited to welcome Wolfgang Link as a guest at our PROUT PERFORMER Lunch Talk on Wednesday, February 22, 2023.

Click here for the recording of the interview (German):

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About Wolfgang:
© Seven.One/Robert Brembeck

Wolfgang Link was appointed to the Executive Board of ProSiebenSat.1 Media SE in March 2020. He is responsible for all entertainment activities of ProSiebenSat.1 Media SE and is CEO of Seven.One Entertainment Group.

He joined the ProSiebenSat.1 Group in 2009 as Head of Entertainment at SAT.1, and was later responsible for all entertainment formats of the German station group as Senior Vice President, bringing “The Voice of Germany” to Germany, for example. From 2012 to 2016, he was Managing Director of ProSieben, became Managing Director of ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH in October 2013 and took over as Chairman of the Executive Board shortly afterwards. In 2019, as co-CEO, he was responsible for merging the station brands, content, marketing and distribution operations under the umbrella of the Seven.One Entertainment Group, which will operate in 2020.

After studying communications, arts and psychology, Wolfgang Link initially worked for various musical and live productions. From 2003, as a producer and executive producer at Grundy Light Entertainment, he helped make the “Deutschland sucht den Superstar” format a success, among other things.

RECAP

Wir durften am Mittwoch, den 22. Februar 2023, Wolfgang Link als Gast bei unserem PROUT PERFORMER Lunch Talk begrĂĽĂźen.

Hier gelangt Ihr zur Aufzeichnung des Gesprächs:

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Ăśber Wolfgang:
© Seven.One/Robert Brembeck

Wolfgang Link wurde im März 2020 in den Vorstand der ProSiebenSat.1 Media SE berufen, verantwortet sämtliche Entertainment-Aktivitäten der ProSiebenSat.1 Media SE und ist CEO der Seven.One Entertainment Group.

Er kam 2009 als SAT.1-Unterhaltungschef zur ProSiebenSat.1 Group, verantwortete später als Senior Vice President alle Entertainmentformate der deutschen Sendergruppe und holte zum Beispiel „The Voice of Germany“ nach Deutschland. Von 2012 bis 2016 war er ProSieben-Geschäftsführer, wurde im Oktober 2013 Geschäftsführer der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH und übernahm wenig später den Vorsitz der Geschäftsführung. 2019 verantwortete er als Co-CEO die Verschmelzung der Sender-Brands, des Content-, Vermarktungs- und Distributionsbereichs unter dem Dach der 2020 firmierten Seven.One Entertainment Group.

Wolfgang Link arbeitete im Anschluss an sein Studium der Kommunikations- und Kunstwissenschaften sowie Psychologie zunächst für verschiedene Musical- und Liveproduktionen. Ab 2003 verhalf er als Producer und Executive Producer bei Grundy Light Entertainment unter anderem dem Format „Deutschland sucht den Superstar“ zum Erfolg.

BUNDESFREIWILLIGENDIENST BEI PROUT AT WORK

„Mir ist es wichtig, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, offen mit ihrer Sexualität umzugehen ohne Angst vor Diskriminierung.“

Nach meinem Schulabschluss 2021 stand ich vor der großen Frage, was ich mit meinem Leben eigentlich anfangen will. Mir war klar, dass ich mich nicht sofort in eine Ausbildung oder ein Studium stürzen, sondern erst ein wenig praktische Erfahrung sammeln möchte. Auf meiner Suche nach einer geeigneten BFD-Stellen habe ich PROUT AT WORK entdeckt und war sofort begeistert von der Arbeit, die die Stiftung leistet.

Warum LGBT*IQ?

Ich bin in einer Familie und einem Freundeskreis aufgewachsen, in dem das Thema LGBT*IQ zwar nicht alltäglich, aber dennoch immer wieder präsent war. Dadurch habe ich früh angefangen, mich mit den verschiedenen Dimensionen der Community und auch mit meiner eigenen Verbindung zu LGBT*IQ auseinanderzusetzen. Im Laufe der Zeit bemühte ich mich, im Alltag und auf meinen privaten Social-Media-Kanälen immer wieder auf verschiedene Awareness Tage und die Belange der LGBT*IQ-Community hinzuweisen.

Dass ich auf PROUT AT WORK als Einsatzstelle gestoßen bin, war ein großer Zufall. Die Chance, mich für dieses Thema noch stärker einsetzen zu können, wollte ich auf jeden Fall ergreifen. Mir ist es wichtig, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, offen mit ihrer Sexualität umzugehen ohne Angst vor Diskriminierung, sei es im Alltag, in der Schule oder in der Arbeit.

Inwiefern bereichert mich der Bundesfreiwilligendienst bei PROUT AT WORK?

Meine Sorge, ich könnte in der Anfangszeit mehr Arbeit für meine Kolleg_innen bedeuten, als dass ich ihnen abnehme, war vollkommen unbegründet. Schon in den ersten Wochen erhielt ich Aufgaben, die ich selbstständig bearbeiten und abschließend bei einem gemeinsamen Feedback besprechen konnte. Auf diese Weise lernte ich, dass es vollkommen in Ordnung ist, nicht sofort alles perfekt zu beherrschen und Fehler zu machen. Bei Fragen konnte ich auf alle zugehen und auch in stressigen Phasen wurde mir immer geholfen, wodurch ich mich im Team sofort wohlgefühlt habe.

Im Laufe des Jahres bekam ich die Möglichkeit, in verschiedenste Projekte und Aufgabenbereiche reinzuschnuppern. So half ich bei der Vorbereitung der jährlichen PROUT AT WORK-Konferenz, erstellte Interviews für unsere PROUT EMPLOYER und gestaltete Beiträge für Social Media und die Website.

Ich lernte, mit den verschiedenen Social-Media-Plattformen und Photoshop umzugehen. Der kreative Teil der Arbeit machte mir besonders Spaß. Schon bald waren wir „Bufdis“ für genau diese Art der externen Kommunikation größtenteils verantwortlich. Im kleinen Team sprachen wir uns ab, wie wir Postings konzipieren wollen und wann sie veröffentlicht werden. Wir erstellten den monatlichen Newsletter und hielten die Website aktuell.

Mein größtes Projekt übernahm ich im Frühling 2022, als mir die unterstützende Leitung des PRIDE DAY GERMANY zugeteilt wurde. In der Vorbereitungsphase des PRIDE DAY war ich zunächst für die „Hintergrundarbeit“ zuständig. Als dann die Hauptphase des Projekts näher rückte, zählte auch die direkte Kommunikation mit Unternehmen zu meinen Aufgaben. Am PRIDE DAY GERMANY selbst durfte ich die Koordination der verschiedenen Bereiche bestehend aus Social Media, Website und Kommunikation sogar hauptverantwortlich übernehmen. Trotz der für mich ungewohnten Verantwortung habe ich mich sehr über die Chance gefreut und einiges an Erfahrung sammeln können.

Mein Fazit:

Als ich meinen Bundesfreiwilligendienst anfing, hatte ich nur eine vage Vorstellung, wie meine Arbeit aussehen würde. Rückblickend kann ich sagen, dass das Jahr abwechslungs- und lehrreicher war, als ich es erwartet hätte. Ich habe nicht nur praktische Kenntnisse dazugewonnen, sondern auch gelernt, wie wichtig gute Zusammenarbeit ist. Die Arbeit bei PROUT AT WORK hat mir extrem viel Spaß gemacht, wozu auch die offene und entspannte Atmosphäre im Team beigetragen hat. Mich dabei gleichzeitig für mehr Gleichberechtigung der LGBT*IQ-Community einzusetzen, ist eine Erfahrung, die ich definitiv nicht missen möchte.

MYSTORY with …

Safir
31 Years, Berlin

“I forgot that I could afford flexibility,
experimentations and imperfections in my path;
that I could be living in intersections, in multitudes. …”

Published: December 2022

Identity Updates.

Quite recently, a friend of mine asked me over text: “Are you non-binary?”.

I laughed in front of my phone at first because to me, it was just the most obvious thing. My pronouns were displayed everywhere, from Instagram to Linked In, I would occasionally post the non-binary meme on Instagram, have my cute “they/them” in my work signature even; overally I live a pretty open life.

I also knew that this person didn’t mean any harm, the question came from a genuine place of interest and care. Yet, it remained hilarious to me because I realised one thing: I simply forgot to come out to her and despite all the signs, she actually wasn’t sure, because to her, I appeared to be a man.
I presented like a man, therefore I was one, right? I forgot that it was important to notify people of any “updates” on your gender, sexuality, religion, etc.

I got so used to displaying my identity that I eventually obliviated the fact that it needed updates once in a while and that it wasn’t in fact, so obvious. People had known me for years as Safir, Algerian, queer, gay, ex-Muslim, cisgender, able-bodied, immigrant, low-income, etc. Because it took me so many years to come to terms with how different I was going to be from everyone else in the world, I unconsciously “fixed” my identity the way some get fixed-term contracts.

I forgot that I could afford flexibility, experimentations and imperfections in my path; that I could be living in intersections, in multitudes.

There was no prerequisite for me to reduce who I was to fit any pre-created boxes.

As a result, my answer to the text was “Yes, I am. Let’s talk about it this weekend :)”. Following this exchange, I had to think about where I was at, as a person. Was I actually Algerian? Well, of course I was, but I had also figured out by now that I identified much better with my Amazigh and African roots overall than the regular national one.

Was I queer? This was pretty certain as well. Gay? Well this needed a bit of an update actually. I first came out as bisexual when I was 18 but people back then always told me I was gay so I accepted it as my fate without questioning it. Over 10 years later, I have to be clear about it: I am not gay. I am indeed closer to omnisexuality than to anything else but also accept to be called pansexual.

What about ex-Muslim? Tough one. I negated this part of me for such a long time because it felt like the part of me society hated the most (even more than my queerness, can you believe?). I can admit now that it was part of a very needed survival strategy to distance myself from how we were perceived worldwide. I was hoping it could offer me the chance to be treated better globally. In all honesty, years have taught me that no matter how far I stood from Muslim culture (from my culture) I would always and forever suffer from islamophobia so I could as well just embrace not only said heritage but also my faith. I also now try to approach Islam from an adult, non-judgmental perspective and I have to make a confession: there is some much beauty and peace in it.

Cisgender Safir? Well, this was a blatant lie. I always knew I didn’t fall under the binary-spectrum but lied to myself and to everyone else as it was too difficult to admit that I was going to “transgress” the common idea of what gender is, that most people wouldn’t ever understand it. It was such a liberating and joyful experience to talk to one of my best friends about it the first time. Their eyes opened and broadened with an incredible warmth. I told them gender to me was a construct I struggled to understand, that I neither felt like a man, nor like a woman; that I neither felt masculine, nor feminine; that I wasn’t feeling like a 50/50 but rather like none at all. While I understand how important gender is for some and respect it; I do not want gender to define me, I feel far from it, like it is of no importance to me. Today, I would call myself agender: a person who does actually not feel like they have a gender. My best friend received the news with a smile, a hug and a simple question: “Will you go by any specific pronoun from now on?”.

What about my non-disabled body? Up to now, I still agree with that statement but who knows what is going to happen in the future? I could write further about all the other sides of my identity, but I believe that by now, you get the image. Updates to me are necessary. Not only for others but mostly for yourself. As I regularly check myself up on how I feel within, I get to have a deeper understanding of who I am as an individual and as a part of my communities. There is so much power in knowledge.

Coming out for me was never (and won’t ever be) linear.

It still happens everyday: on Mondays about gender, on Wednesdays about sexuality. Most importantly, within me it changes every morning. Ever so slightly but with fluidity. Is my experience unique? Probably not. Is my experience universal, absolutely not! So should we expect anybody to live their experiences the same way we do? According to the Western ideology, it appears that everyone should come out.

Trust me, our sole experiences should never be made rules. Coming out is not obligatory. You can also live a beautiful, healthy and positive life without having to go through such intense momenta. Some of us won’t ever come out, and we shouldn’t police them. The way we embrace and empower ourselves, we should embrace and empower them in their own experiences as well.

Safir, Thank you very much for YourStory!
MYSTORY mit …

Safir
31 Jahre, Berlin

“Ich vergaĂź, dass ich mir Flexibilität, Experimente
und Unvollkommenheiten auf meinem Weg leisten konnte;
dass ich in Ăśberschneidungen und Gleichzeitigkeiten, in Vielfältigkeit leben konnte…..”

Veröffentlicht: Dezember 2022

Identitäts-Updates.

Vor kurzem hat mich eine Freundin per Text gefragt: “Bist du nicht-binär?”.

Ich habe zuerst vor meinem Telefon gelacht, denn fĂĽr mich war es einfach das Offensichtlichste. Meine Pronomen sind ĂĽberall zu sehen, von Instagram bis LinkedIn, ich poste gelegentlich ein nicht-binäres Meme auf Instagram, habe meine “they/them” sogar in meiner Mailsignatur; insgesamt lebe ich ein ziemlich offenes Leben.

Ich wusste auch, dass diese Person es nicht böse meinte, die Frage kam aus echtem Interesse und FĂĽrsorge. Dennoch fand ich es komisch, weil mir eines klar wurde: Ich hatte einfach vergessen, mich ihr gegenĂĽber zu outen, und trotz aller Anzeichen war sie sich nicht sicher, weil ich ihr wie ein Mann erschien. Ich präsentierte mich wie ein Mann, also war ich auch einer, oder? Ich vergaĂź, dass es wichtig war, die Leute ĂĽber alle “Updates” in Bezug auf Geschlecht, Sexualität, Religion usw. zu informieren.

Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, meine Identität zur Schau zu stellen, dass ich schlieĂźlich vergaĂź, dass ich sie von Zeit zu Zeit aktualisieren musste und, dass sie in Wirklichkeit gar nicht so offensichtlich war. Die Leute kannten mich schon seit Jahren als Safir, Algerier_in, queer, schwul, Ex-Muslim_in, cisgender, ohne körperliche Behinderung, Immigrant_in, mit niedrigem Einkommen usw. Da ich so viele Jahre brauchte, um mich damit abzufinden, wie sehr ich mich von allen anderen auf der Welt unterscheiden wĂĽrde, habe ich meine Identität unbewusst “festgelegt”, so wie manche sich auf Verträge festlegen.

Ich vergaß, dass ich mir Flexibilität, Experimente und Unvollkommenheiten auf meinem Weg leisten konnte; dass ich in Überschneidungen und Gleichzeitigkeiten, in Vielfältigkeit leben konnte.

Es ist fĂĽr mich nicht erforderlich mich einzugrenzen, damit ich in irgendwelche vorgefertigten Schubladen passe.

Meine Antwort auf die Nachricht lautete daher: “Ja, bin ich. Lass uns am Wochenende darĂĽber reden :)”. Nach diesem Austausch musste ich darĂĽber nachdenken, wer ich war.

War ich tatsächlich Algerier_in? Natürlich war ich das, aber ich hatte inzwischen auch herausgefunden, dass ich mich insgesamt viel mehr mit meinen amazighischen und afrikanischen Wurzeln identifizierte als mit einer Nationalen.

War ich queer? Auch das war ziemlich sicher. Schwul? Nun, das bedurfte eigentlich eines kleinen Updates. Mit 18 Jahren habe ich mich zum ersten Mal als bisexuell geoutet, aber die Leute sagten mir damals immer, dass ich schwul sei, also habe ich es als mein Schicksal akzeptiert, ohne es zu hinterfragen. Mehr als 10 Jahre später muss ich es ganz klar sagen: Ich bin nicht schwul. Ich bin in der Tat näher an der Omnisexualität als an irgendetwas anderem, aber ich akzeptiere auch die Bezeichnung pansexuell.

Was ist mit Ex-Muslim_in? Schwierige Frage. Ich habe diesen Teil von mir so lange verleugnet, weil ich das Gefühl hatte, dass die Gesellschaft diesen Teil von mir am meisten hasst (sogar noch mehr als mein Queersein, ist das zu glauben?). Heute kann ich zugeben, dass es Teil einer notwendigen Überlebensstrategie war, um mich davon zu distanzieren, wie wir auf der ganzen Welt wahrgenommen wurden. Ich hatte gehofft, dass ich dadurch die Chance hätte, weltweit besser behandelt zu werden. Ehrlich gesagt haben mich die Jahre gelehrt, dass ich, egal wie weit ich mich von der muslimischen Kultur (meiner Kultur) entfernte, immer und ewig unter Islamfeindlichkeit leiden würde, sodass ich mir meinen Glauben zu eigen machen konnte. Ich versuche jetzt auch, mich dem Islam aus einer erwachsenen, nicht wertenden Perspektive zu nähern und ich muss gestehen: Es steckt viel Schönheit und Frieden darin.

Cisgender Safir? Nun, das war eine eklatante LĂĽge. Ich wusste immer, dass ich nicht in das binäre Geschlechtsspektrum falle, aber ich habe mich selbst und alle anderen belogen, weil es zu schwierig war zuzugeben, dass ich die gängige Vorstellung davon, was Geschlecht ist, “ĂĽberschreiten” wĂĽrde, dass die meisten Menschen das nie verstehen wĂĽrden. Es war eine so befreiende und freudige Erfahrung, mit einer_m meiner besten Freund_innen zum ersten Mal darĂĽber zu sprechen. Die Augen öffneten und weiteten sich mit einer unglaublichen Wärme. Ich sagte, dass Geschlecht fĂĽr mich ein Konstrukt ist, das ich nur schwer verstehen kann, dass ich mich weder als Mann noch als Frau fĂĽhle, weder männlich noch weiblich, dass ich mich nicht wie 50/50 fĂĽhle, sondern eher wie gar nicht. Ich verstehe zwar, wie wichtig das Geschlecht fĂĽr manche ist und respektiere es, aber ich möchte nicht, dass das Geschlecht mich definiert, ich fĂĽhle mich weit davon entfernt, als wäre es fĂĽr mich nicht wichtig. Heute wĂĽrde ich mich selbst als Agender bezeichnen: eine Person, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fĂĽhlt. Mein_e beste_r Freund_in empfing die Nachricht mit einem Lächeln, einer Umarmung und einer einfachen Frage: “Wirst du von nun an ein bestimmtes Pronomen verwenden?”.

Was ist mit meinem Leben ohne körperliche Behinderung? Bis heute stimme ich dieser Aussage zu, aber wer weiß, was in der Zukunft passieren wird? Ich könnte noch weiter über all die anderen Seiten meiner Identität schreiben, aber ich glaube, Ihr habt es schon verstanden. Updates sind für mich notwendig. Nicht nur für andere, sondern vor allem für sich selbst. Wenn ich mich regelmäßig selbst frage, wie ich mich fühle, bekomme ich ein tieferes Verständnis dafür, wer ich als Individuum und als Teil unterschiedlicher Communities bin. Im Wissen liegt so viel Kraft.

Mein Coming-Out war nie linear (und wird es auch nie sein).

Es geschieht immer noch jeden Tag: montags über das Geschlecht, mittwochs über die Sexualität. Am wichtigsten ist, dass es sich in mir jeden Morgen verändert. Immer nur leicht, aber fließend. Ist meine Erfahrung einzigartig? Wahrscheinlich nicht. Ist meine Erfahrung universell? Absolut nicht! Sollten wir also von jeder_m erwarten, dass er_sie seine_ihre Erfahrungen genauso lebt wie wir? Nach der westlichen Ideologie scheint es, dass sich jede_r outen sollte.

Glaubt mir, unsere einmaligen Erfahrungen sollten niemals zur Regel gemacht werden. Ein Coming Out ist nicht obligatorisch. Man kann auch ein schönes, gesundes und positives Leben führen, ohne solch intensive Momente durchleben zu müssen. Einige von uns werden sich nie outen und wir sollten niemanden dazu zwingen. So wie wir uns selbst empowern, sollten wir auch anderen in ihren eigenen Erfahrungen empowern.

Safir, vielen Dank fĂĽr YourStory!
MYSTORY with …

Jay
53 Years, Einbeck

“My journey began with an end and a beginning, and this end made my truly new beginning as a non-binary person possible in the end. …”

Published: November 2022

A new beginning.

On March 6, 2020, the most unusual journey of my life so far began. It began with an end and a beginning, and this end made my truly new beginning as a non-binary person possible in the end. On that day, the love of my life ended with the death of my relationship person. I was infinitely grateful for the 23 years that I was allowed to spend with her, despite all prophecies of doom.

A love that seemed so unusual even to us lovers in the beginning that we asked ourselves at the time, “Can our relationship really work and go well?” We decided to take the risk. My great love was and remained until her death, married to her husband and had three children, who at the beginning of our relationship, were between 6 and 13 years old. She was 12 years older than me. We lived an unusual, publicly known, patchwork rainbow family relationship for 23 years. I miss her to this day.

Today, I am actually grateful for that void her absence has left in my life. I am also thankful that the Corona Lockdown that started shortly after her funeral turned me back on myself. With the absence of external distractions, I was able to use this time for inner gathering and my refocusing. On many lonely evenings on my balcony, I began to search for answers to life questions and to define new goals.

“Where should my path lead now?”
“How do I want to live?”
“What are my goals?”

I found more questions than answers at that time. I discovered within myself dungeons and locked doors, dark caves and buried shafts. What I lacked was light. The deeper I went, the less hope I had of finding answers on my own that could shed light on the darkness. I admitted to myself that I couldn’t answer all the questions on my own, and I enlisted professional outside travel assistance in the form of coaching.

It quickly became apparent that I had been asking myself the right questions at the wrong time. By the end of 2020, I was still far too caught up in the social norms and conventions of heteronormativity around me and in my own inner beliefs. These thoughts and conventions were blocking my path to answers.

I wanted, no I had to try something new, like when I was on vacation in Canada. Every day at that time I had opted for the classic English breakfast. The Canadian breakfast of French toast (Poor Knights), crispy bacon and maple syrup seemed too absurd a combination. Bacon and maple syrup?! A white bread soaked with egg, instead of egg on the white bread and bacon extra on top. I could not imagine this combination of sweet and salty as delicious. One morning, this meal looked so delicious at the neighboring table that I dared to order and try it too. It was a revelation and a symbiosis of opposites that, combined like this, gave me a completely new, incredible taste experience. For this experience, it was necessary to ignore old ideas and concepts (like taste experiences).

My experiential process right before my non-binary coming out was very similar, but much more intimate. This process, too, was about reconciling opposites and exploring new territory. The phrases that went through my mind before making these decisions were, on the one hand, “Do I really dare?”. What happens if it’s an absurd experience?” and on the other, “I’m so excited! I can’t wait!” I, (then still Judith – gender: female; gender identity: “butch”; sexual orientation: lesbian), boldly decided to try something completely new and unfamiliar, leaving old paths behind. With a curious beginner’s mind, I embarked on a new experience.

I was gifted with answers to questions that have accompanied me my entire adult life. „Wer bin ich?“ „Wer oder was ist meine Identität?“ „Wieso fühle ich mich stets „zwischen den Stühlen“ sitzend/stehend?“ These questions have accompanied me for many years of my life.
In this experiential moment, I let go of my preconceived thoughts about gender and gender identities and freed myself from convention and propriety.

I let go of Judith, or in other words, Judith said goodbye, and in the same moment I was transformed into Jay.

As Jay (gender: diverse; gender identity: non-binary; sexual orientation: women loving), I felt whole and complete for the first time in my life. I realized that I now had a new name and a new gender. After 50 years, the search for my true identity ended in a truly new beginning; a new birth certificate even made this official very soon.

It was out of the question for me to make this inner transformation visible to the outside world as well. Sometimes bureaucratic mills grind fast, too. In February, I received a certificate from my family doctor, submitted an informal application for gender and name change with it to the registry office and promptly received an official appointment for the oral application.

It was on February 18, 2021, when I was handed my new birth certificate with new name and gender by the registrar of my town. I thus wrote Einbeck town history, as the first person with a diverse gender entry in the town’s birth register. I am very grateful for all the experiences, for all the people who contributed to this moment. I would like to thank all the people for their appreciation, solidarity and joy shown to me during this coming out.

DEAR Jay, THANK YOU VERY MUCH FOR YOURSTORY!
MYSTORY mit …

Jay
53 Jahre, Einbeck

“Meine Reise begann mit einem Ende und
einem Anfang, und dieses Ende machte am
Ende meinen wahrhaftigen Neuanfang als
nicht-binäre Person möglich. …”

Veröffentlicht: November 2022

Ein Neuanfang.

Am 6. März 2020 begann die bisher ungewöhnlichste Reise meines Lebens. Sie begann mit einem Ende und einem Anfang, und dieses Ende machte am Ende meinen wahrhaftigen Neuanfang als nicht-binäre Person möglich. An diesem Tag endete mit dem Tod meiner Beziehungsperson die Liebe meines Lebens. Ich war unendlich dankbar für die 23 Jahre, die ich aller Unkenrufe zum Trotz, mit ihr verbringen durfte.

Eine Liebe, die selbst uns Liebenden am Anfang so ungewöhnlich erschien, dass wir uns damals gefragt haben: „Kann unsere Beziehung wirklich funktionieren und gutgehen?“ Wir haben beschlossen, das Risiko einzugehen. Meine große Liebe war und blieb bis zu ihrem Tod, mit ihrem Ehemann verheiratet und hatte drei Kinder, die zu Beginn unserer Beziehung, zwischen 6 und 13 Jahren alt waren. Sie war 12 Jahre älter als ich. Wir lebten 23 Jahre lang eine ungewöhnliche, öffentlich bekannte, Patchwork-Regenbogen-Familien-Beziehung. Sie fehlt mir bis heute.

Heute bin ich sogar dankbar fĂĽr diese Leere, die ihr Fehlen in meinem Leben hinterlassen hat. Ich bin auch dankbar, dass mich der kurz nach ihrer Beerdigung gestartete Corona-Lockdown auf mich selbst zurĂĽckgeworfen hat. Durch das Fehlen von externen Ablenkungen vermochte ich diese Zeit zur inneren Sammlung und meine Neuorientierung nutzen. An vielen einsamen Abenden auf meinem Balkon, begann ich nach Antworten auf Lebensfragen zu suchen und neue Ziele zu definieren.

„Wo sollte mein Weg nun hinführen?“ „Wie will ich leben?“ „Was sind meine Ziele?“

Ich fand damals mehr Fragen als Antworten. Ich entdeckte in mir Verließe und verschlossene Türen, dunkle Höhlen und verschüttete Schächte. Was mir fehlte, war Licht. Je tiefer ich stieg, umso geringer wurde meine Hoffnung, allein Antworten zu finden, die Licht in das Dunkel bringen konnten. Ich gestand mir ein, dass ich nicht alle Fragen allein beantworten konnten, und holte mir eine professionelle externe Reisebegleitung in Form eines Coachings.

Es stellte sich schnell heraus, dass ich mir die richtigen Fragen zum falschen Zeitpunkt gestellt hatte. Ende 2020 war ich noch viel zu sehr in den gesellschaftlichen Normen und Konventionen der Heteronormativität um mich herum und in meinen eigenen inneren Glaubensätzen gefangen. Diese Gedanken und Konventionen blockierten meinen Weg zu den Antworten.

Ich wollte, nein ich musste etwas Neues ausprobieren, so wie damals im Urlaub in Kanada. Täglich hatte ich mich damals für das klassische englische Frühstück entschieden. Das kanadische Frühstück mit French Toast (Arme Ritter), knusprigem Speck und Ahornsirup erschien mir eine zu absurde Kombination zu sein. Speck und Ahornsirup?! Ein mit Ei getränktes Weißbrot, statt Ei auf dem Weißbrot und Speck extra dazu. Ich vermochte mir diese Kombination aus süß und salzig nicht als lecker vorzustellen. Eines Morgens sah dieses Essen am Nachbartisch so lecker aus, dass ich mich getraut habe, es auch zu bestellen und zu probieren. Es war eine Offenbarung und eine Symbiose von Gegensätzen, die mir, so kombiniert, ein völlig neues, unglaubliches Geschmackserlebnis verschafft haben. Für diese Erfahrung war es notwendig, alte Ideen und Konzepte (wie Geschmackserfahrungen) zu ignorieren.

Meine Erfahrungsprozess direkt vor meinem nicht-binären Coming Out verlief sehr ähnlich, jedoch sehr viel intimer. Auch in diesem Prozess ging es um die Vereinbarung von Gegensätzlichen und um Neuland. Die Sätze, die mir vor diesen Entscheidungen durch den Kopf gingen, waren auf der einen Seite „Traue ich mich wirklich? Was passiert, wenn es eine absurde Erfahrung ist?“ und auf der anderen Seite „Ich bin so gespannt! Ich kann es kaum erwarten.“ Ich, (damals noch Judith – Geschlecht: weiblich; Geschlechtsidentität: „Butch“; sexuelle Orientierung: lesbisch), habe mich mutig entschieden, etwas völlig Neues und Ungewohntes auszuprobieren und dabei alte Pfade zu verlassen. Mit einem neugierigen Anfängergeist habe ich mich auf eine neue Erfahrung eingelassen.

Beschenkt wurde ich mit Antworten auf Fragen, die mich mein gesamtes Erwachsenenleben begleitet haben. „Wer bin ich?“ „Wer oder was ist meine Identität?“ „Wieso fühle ich mich stets „zwischen den Stühlen“ sitzend/stehend?“ Diese Fragen haben mich viele Lebensjahre begleitet.
Ich habe in diesem Erfahrungsmoment meine vorgefertigten Gedanken über Geschlecht und Geschlechtsidentitäten losgelassen und mich von Konvention und Schicklichkeit befreit.

Ich habe Judith losgelassen, oder anders ausgedrĂĽckt, Judith hat sich verabschiedet und im gleichen Moment bin ich zu Jay transformiert.

Als Jay (Geschlecht: divers; Geschlechtsidentität: nicht-binär; sexuelle Orientierung: Frauen liebend) fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben ganz und vollständig. Mir war klar, dass ich nun einen neuen Namen und ein neues Geschlecht hatte. Nach 50 Jahren endete die Suche nach meiner wahren Identität in einem wahrhaftigen Neuanfang; eine neue Geburtsurkunde machte dies sehr bald sogar amtlich.

Es stand für mich außer Frage, diese innere Transformation auch nach außen hin sichtbar zu machen. Manchmal mahlen auch bürokratische Mühlen schnell. Im Februar erhielt ich ein Attest von meinem Hausarzt, stellte damit einen formlosen Antrag auf Geschlechts- und Namensänderung beim Standesamt und erhielt zeitnah einen offiziellen Termin für die mündliche Antragsstellung.

Es war am 18. Februar 2021, als ich vom Standesbeamten meines Ortes meine neue Geburtsurkunde mit neuem Namen und neuem Geschlecht ausgehändigt bekam. Ich schrieb damit Einbecker Stadtgeschichte, als erste Person mit einem diversen Geschlechtseintrag im Geburtenregister der Stadt. Ich bin sehr dankbar für alle Erfahrungen und Erlebnisse, für alle Menschen, die zu diesem Moment ihrem Beitrag geleistet haben. Ich danke allen Menschen für ihre, mir bei diesem Coming Out entgegengebrachte, Wertschätzung, Verbundenheit und Mitfreude.

Jay, vielen Dank fĂĽr YourStory!