Im Gespräch mit… Matthias Weber

„Sichtbarkeit ist für mich eines der wirksamsten Instrumente, Akzeptanz zu schaffen.“

Was hat Sichtbarkeit von LGBT*IQ mit Führung zu tun?

 

Matthias Weber: In modernen Führungsansätzen gehen wir vom Ziel einer fairen Behandlung, Wertschätzung und Förderung aller Mitarbeitenden aus. Dass wir vom Erreichen eines solch inklusiven und Diversity-orientierten Arbeits- und Führungsalltags noch sehr weit entfernt sind, zeigen uns neben tatsächlich messbaren Frauenquoten die Ergebnisse repräsentativer Studien: LGBT*IQ fühlen sich zu oft diskriminiert und ziehen es daher in großen Teilen vor, sich am Arbeitsplatz nicht zu outen. Und da sind wir beim Thema Sichtbarkeit: Sichtbarkeit ist für mich eines der wirksamsten Instrumente, Akzeptanz zu schaffen. Hier hat Führung eine relevante Bedeutung: Beginnend bei der Unternehmensspitze, als „tone from the top“ und dann durch alle Führungsebenen muss der Anspruch des Unternehmens klar gemacht werden, dass alle Mitarbeitenden gleich wertvoll sind, nach ihrer Leistung gemessen und nach ihrem Potential gefördert werden.

 

Sie setzen sich für ganzheitliches Diversity Management statt einem defizitorientierten Antidiskriminierungsansatz ein – was sind die wichtigsten Unterschiede?

 

Matthias Weber: Die defizitorientierten Antidiskriminierungsansätze zielen zumeist auf einzelne Maßnahmen ab. Trotzdem zielt der Gesetzgeber hier auf das Verbot einer Diskriminierung ab. Das ist ein Statement und als politisches Signal wichtig, ebenso wie es als juristische Grundlage für Betroffene notwendig ist. Doch gilt es aus meiner Sicht, daran zu arbeiten, dass Diskriminierung nicht entsteht – und zwar weil die Einstellungen der Menschen zueinander respektvoll und einander akzeptierend sind. Hier kann das ganzheitliche Diversity Management wirksame Strategien in öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Unternehmen bieten.

In Deutschland entscheidet sich noch immer ein Großteil der LGBT*IQ dagegen, sich im Berufsleben zu outen. Was läuft in anderen Ländern besser? Was können wir daraus lernen?

 

Matthias Weber: Im Wesentlichen ist das meiner Meinung nach eine Frage der Kultur, der Gesellschaft und des persönlichen Selbstverständnisses. In Frankreich outen sich rund 60 Prozent der LGBT*IQ am Arbeitsplatz und das, obwohl die Befürchtung der Befragten dort höher ist, deshalb im Berufsleben benachteiligt zu werden. Der tief verankerte Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung „koste es, was es wolle“ mag bei unseren Nachbarn ausgeprägter als bei uns Deutschen sein. Unser Staatengebilde als nicht laizistischer Staat spielt in diesem Zusammenhang ebenso eine nicht unerhebliche Rolle. Wir können nur unsere Arbeit intensivieren, dabei ist der immerwährende Schlüssel: Sichtbarkeit auf allen Ebenen – koste es, was es wolle.