Manuela Neuroth

MYSTORY mit …

Manuela
62 Jahre, Bonn

“Als ich in den 90er Jahren im Fernsehen erstmals eine
Dokumentation über eine Trans* Frau sah, erfassten mich
Abwehr, Faszination und unstillbare Sehnsucht gleichermaßen. …”

Veröffentlicht: Mai 2022

Mein spätes Coming Out als Trans* frau…

Im Alter von 5 Jahren fiel mir das erste Mal auf, dass mit mir „etwas nicht stimmte“, als mich ein helles Gefühl der Freude erfasste, für ein Mädchen gehalten zu werden – gleichzeitig war ich darüber verwirrt und beschämt. Niemals hätte ich mit irgendeinem Menschen darüber sprechen wollen, genauso wenig darüber, wie schön ich es fand, auf dem Dachboden heimlich das Brautkleid meiner Mutter zu tragen. Weitere verborgene weibliche Vorlieben entwickelten sich, gleichzeitig verbunden mit einer starken Abneigung gegen männertypische Verhaltensweisen. Standhaft weigerte ich mich, Anzüge oder Krawatten zu tragen oder mich vor anderen Jungen in der Umkleide beim Sport auszuziehen. Anderseits wollte ich akzeptiert und nicht verspottet werden.

So legte ich mir bewusst männliche Hobbies zu und tat auch sonst alles, mein sich entwickelndes weibliches Inneres vor anderen zu verbergen.

Mädchen faszinierten mich immer sehr – ich bewunderte sie, wollte sein wie sie und verliebte mich in sie. Ich fand mit 19 Jahren meine große Liebe, mit der ich immer noch verheiratet bin und habe 3 wundervolle Kinder. Leider wurde mein Versuch, von meinen inneren Empfindungen zu erzählen, von meiner damaligen Freundin brüsk abgetan und so blieb ich mit meinen verborgenen Empfindungen und der sich in mir aufbauenden weiblichen Parallelwelt Jahrzehnte allein.

Als ich in den 90er Jahren im Fernsehen erstmals eine Dokumentation über eine Trans* Frau sah, erfassten mich Abwehr, Faszination und unstillbare Sehnsucht gleichermaßen. Mir war klar, dass mir hier ein Spiegel vorgehalten wurde. Anderseits empfand ich aber inneren Widerstand, da ich die Konsequenzen und Gefahren sah, wenn ich meinen Wünschen nachgeben würde. So legte ich mir ein Informationsbeschaffungsverbot auf, das ich mehr als 20 Jahre durchhielt, bis die Thematik transgender in den Medien so präsent wurde, dass ich nachgab und eine Internetrecherche begann, die mir nach kürzester Zeit die vermutete Eigendiagnose „transident“ bestätigte.

Danach kreisten meine Gedanken nur noch um meine Transgeschlechtlichkeit und ich begriff, dass an meinem Coming Out kein Weg mehr vorbei führte. Beginnend mit meiner Frau und meinen Kindern öffnete ich mich Freund_innen und wenigen guten Kolleg_innen und war über die weitgehend positiven Reaktionen und angebotene Unterstützung sehr überrascht, waren doch die Erzählungen im Internet meist von persönlichen Katastrophen gekennzeichnet. Dies galt nicht zuletzt für das Berufsleben, wo mir bei meinem Arbeitgeber RWE kein einziger vergleichbarer Fall bekannt war, was mir besondere Angst machte. So rechnete ich fest damit, in diesem männerdominierten, damals (wie ich zumindest dachte) recht konservativen Unternehmen meinen fachlichen und menschlichen Ruf zu verlieren sowie ausgegrenzt und verspottet zu werden.

Doch es kam ganz anders. Zuerst einmal rannte ich beim Bereich Diversity offene Türen ein, als ich dort um Unterstützung für mein Vorhaben bat, im Job die Transition zur Frau zu wagen. Endlich jemand, der sich bei RWE mit Namen und Gesicht offen dazu bekennt, transident zu sein, wurde mir gesagt, und gemeinsam ein Plan zum betrieblichen Coming Out erarbeitet, wofür ich mir Rückendeckung bis hinauf zum Vorstand holte. Nach persönlicher Vorabinformation einiger weniger Kolleg_innen und Vorgesetzter, zu denen ich ein besonderes Verhältnis hatte, versandte unser Vorstand während meines Urlaubes eine Mail an seine Führungskräfte, die es wiederum an ihre Mitarbeiter_innen verteilten.

Noch im Urlaub erreichten mich zu meiner Freude herzliche und Unterstützung anbietende Nachrichten, sodass meine Sorgen vor den Reaktionen der Kolleg_innen dahinschmolzen wie Schnee in der Sonne! Es folgten zahlreiche weitere Outing-Gespräche mit Menschen, die mir persönlich wichtig waren und bei denen ich besonderen Wert darauf legte, dass sie meine Geschichte verstehen und mich auf meiner Reise begleiten! Allerdings gehört auch erwähnt, dass ich einige Freund_innen verloren habe, die meiner Wandlung nicht folgen wollten, an deren Stelle ich aber wunderbare neue Menschen kennenlernen durfte.

Schwer war es ebenfalls für meine engste Familie, aber wir hielten zusammen und gingen den teilweise steinigen Weg gemeinsam.

Bei RWE entstand der Kontakt zu einer weiteren Trans* Frau, ein schwuler Kollege schloss sich an und wir gründeten das LGBT*IQ & Friends Netzwerk bei RWE, das inzwischen 225 Mitglieder hat. Uns verbindet inzwischen neben herzlicher Freundschaft das Ziel, es anderen Mitgliedern der LGBT*IQ-Community leichter zu machen, sich im Job zu outen. Hierzu leisten wir Hilfestellung und Beratung und stehen im engen Austausch mit anderen Firmen und LGBT*IQ-Netzwerken in Deutschland.

Es bleibt festzuhalten, dass mir meine Transition beruflich in keinerlei Weise geschadet hat. Im Gegenteil: Durch den offenen Umgang mit dem Thema Transidentität entstanden eine für mich bis dahin nicht gekannte gegenseitige Offenheit und zwischenmenschliches Vertrauen – was der Arbeitsatmosphäre mit internen wie externen Partner_innen bis heute sehr zugutekommt.

Liebe Manuela, vielen Dank für YourStory!

Manuela Neuroth

MYSTORY With …

Manuela
62 Years, Bonn

“When I saw a documentary about a trans* woman on television
for the first time in the 90s, I was gripped by defensiveness,
fascination and insatiable longing in equal measure. …”

Published: May 2022

MY LATE COMING OUT AS A TRANS* WOMAN…

At the age of 5, I noticed for the first time that “something was wrong” with me, when I was filled with a bright feeling of joy at being mistaken for a girl – at the same time I was confused and ashamed about it. Never would I have wanted to talk about it to anyone, just as I would never have wanted to talk about how beautiful I thought it was to secretly wear my mother’s wedding dress in the attic. Other hidden feminine preferences developed, at the same time combined with a strong aversion to male-typical behavior. I steadfastly refused to wear suits or ties or to undress in front of other boys in the locker room during sports. On the other hand, I wanted to be accepted and not ridiculed.

So I deliberately took up masculine hobbies and did everything else to hide my developing feminine inner self from others.

Girls always fascinated me – I admired them, wanted to be like them and fell in love with them. I found the love of my life at 19, to whom I am still married and have 3 wonderful children. Unfortunately, my attempt to tell about my inner feelings was brusquely dismissed by my then girlfriend and so I remained alone with my hidden feelings and the female parallel world that was building up inside me for decades.

When I saw a documentary about a trans* woman on television for the first time in the 90s, I was gripped by defensiveness, fascination and insatiable longing in equal measure. It was clear to me that a mirror was being held up to me. On the other hand, I felt inner resistance, because I saw the consequences and dangers if I gave in to my desires. So I imposed a ban on gathering information on myself, which I kept up for more than 20 years, until the topic of transgender became so present in the media that I gave in and began an Internet search, which confirmed my suspected self-diagnosis of “transident” after a very short time.

After that my thoughts circled only around my transsexuality and I understood that there was no way around my coming out. Starting with my wife and my children, I opened up to friends and a few good colleagues and was very surprised about the largely positive reactions and support offered, as the stories on the Internet were mostly characterized by personal disasters. This also applied to the professional life, where I was not aware of a single comparable case at my employer RWE, which caused me particular anxiety. So I firmly expected to lose my professional and human reputation as well as to be ostracized and ridiculed in this male-dominated, at that time (as I thought at least) quite conservative company.

But things turned out quite differently. First of all, I ran into an open door in the Diversity department when I asked them for support for my plans to make the transition to becoming a woman at work. Finally, someone at RWE was openly admitting to being transgender by name and face, I was told, and together we worked out a plan for coming out at work, for which I gained support all the way up to the Executive Board. After personally informing a few colleagues and superiors in advance, with whom I had a special relationship, our board of directors sent an e-mail to its managers during my vacation, who in turn distributed it to their employees.

To my delight, I received warm and supportive messages while still on vacation, so that my worries about the reactions of my colleagues melted away like snow in the sun! Numerous other outing conversations followed with people who were personally important to me and with whom I placed particular value on them understanding my story and accompanying me on my journey! However, it should also be mentioned that I lost some friends who did not want to follow my transformation, but in their place I was able to meet wonderful new people.

It was also hard for my closest family, but we stuck together and walked the sometimes rocky road together.

At RWE, we got in touch with another trans* woman, a gay colleague joined us and we founded the LGBTIQ & Friends Network at RWE, which now has 225 members. In addition to warm friendship, we are now united by the goal of making it easier for other members of the LGBTIQ community to come out at work. To this end, we provide assistance and advice and are in close contact with other companies and LGBT*IQ networks in Germany.

Dear Manuela, Thank you very much for YourStory!