MYSTORY mit …
Mano
Berlin
„Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.“
Veröffentlicht: Oktober 2023
Es gibt viele Menschen und Ereignisse, die mich im Laufe meines Lebens geprägt, schockiert und inspiriert haben. Meine Eltern, meine Familie sind meine wichtigsten Vorbilder. Sie haben mir zentrale Eigenschaften und Kompetenzen wie Mut, Respekt und Demut vermittelt. Sie haben den Boden geschaffen, auf dem ich wachsen kann. Meine Eltern wussten sicherlich schon vor mir von meiner Homosexualität. Sie haben allerdings nie nachgefragt – aus Unsicherheit, Angst oder Respekt, ich weiß es nicht. Oder aus dem Grund, weil sie mich lieben. Ehrlich gesagt habe ich mich nie geoutet, weil ich mich nie verstecken musste.
Ich wusste schon sehr früh, dass ich anders bin – durch mein Aussehen, meine Herkunft und auch meine Beziehung zu Jungs.
Ich habe großes Glück, eine liebevolle und respektvolle Familie zu haben. Ich möchte anderen Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, Mut machen und Perspektiven aufzeigen.
Heute arbeite ich als Associate Project Director – Real World Evidence bei Parexel International GmbH. Wir ermöglichen Patient_innen mit schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen den Zugang zu nicht-zugelassenen Arzneimitteln, wenn keine vergleichbaren alternativen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, und gewährleisten gleichzeitig eine bestmögliche medizinische Versorgung.
Ich identifiziere mich als queer und glaube, dass eine vielfältige, gerechte und inklusive Welt Fortschritt bedeutet, den Zugang zu besserer Gesundheitsversorgung erleichtert und die Rechte marginalisierter Gruppen stärkt.
Die meisten, wenn nicht alle klinischen Studien konzentrieren sich beim Testen von Arzneimitteln nur auf das binäre Geschlechtermodell, also Mann und Frau – aus Gründen der Sicherheit, Wirksamkeit und Dosierung. Wenn wir keine Informationen über die Geschlechtsidentität sammeln, bedeutet das, dass es möglicherweise einige Krankheiten, Zustände und Risikofaktoren gibt, die in unserer Gemeinschaft ein erhebliches Problem darstellen und uns nicht bekannt sind. Herkömmliche Untersuchungsverfahren, die Vorlagen für Protokolle und Einverständniserklärungen sowie die von uns gesammelten Daten sind oft so konzipiert, dass sie den spezifischen Bedürfnissen und demografischen Gegebenheiten der trans* Community nicht gerecht werden.
Unser Engagement für die Patient_innen muss uns dazu motivieren, einen vielfältigen Patient_innenpool zu erfassen, der unsere Gesellschaft repräsentiert. Wir sind dabei, Methoden, Trainings und Dokumente aufzusetzen, um die Aufnahme von LGBT*IQ-Patient_innen in klinische Arzneimittelstudien zu fördern. Wir müssen medizinisches Fachpersonal besser schulen, damit sie LGBT*IQ-Patient_innen, einschließlich trans* nicht nicht-binäre Menschen, motivieren, an klinischen Studien teilzunehmen.
Ich wünsche mir mehr gegenseitiges Vertrauen und Respekt von trans* und nicht-binären Personen und medizinischen Fachkräften im Rahmen der klinischen Forschung.
MANO, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …
RUTH
25 Jahre, Hamburg
„trotzdem, oder gerade dadurch, dass ich kaum
von Queerfeindlichkeit betroffen bin, motivieren mich
meine Erfahrungen und auch die anderer, öffentlich für
Aufklärung und Rechte vonLGBTQ+ Personen einzustehen. …“
Veröffentlicht: September 2022
BI-Lieve in me.
Ich habe es lange als Privileg betrachtet, dass man mir meine Bisexualität nicht ansieht. Es ist Fluch und Segen zugleich, dass man einerseits durchschnittlich weniger Queerfeindlichkeit erfährt, wenn man beispielsweise in einer hetero-aussehenden Partnerschaft lebt – andererseits dadurch aber auch nicht immer die volle Zugehörigkeit zu der LGBTQ+ Community erlebt, oder zu vorschnell entweder als homo- oder heterosexuell abgestempelt wird, ganz abhängig von dem_r Partner_in an der eigenen Seite. Solche Erfahrungen sind, verglichen zum Gesamtbild von queerer Diskriminierung, weniger schlimm und gut wegzustecken, ob im politischen Feld, im privaten oder im beruflichen Umfeld, wobei letzteres in meinem Fall das Shine Netzwerk bei PwC Deutschland ist.
Trotzdem, oder gerade dadurch, dass ich kaum von Queerfeindlichkeit betroffen bin, motivieren mich meine Erfahrungen und auch die anderer, öffentlich für Aufklärung und Rechte von LGBTQ+ Personen einzustehen.
Der Pride Month ist nicht nur für Schwule und Lesben reserviert – und die Gesellschaft hat in ihrer Entwicklung noch einen weiten Weg vor sich, um bei queeren Themen nicht nur an das „L“ und „G“ in LGBTQ+ zu denken, sondern allen queeren Personen die gleiche Behandlung zukommen zu lassen. Besonders Themen abseits von der gewohnten Binarität sind für viele noch kaum ein Begriff oder aber so fremd und unverständlich, dass es da einfach ist, wegzuschauen und Queerness mit bewährten queeren Rollenvorstellungen wie zum Beispiel nur schwule Männer zu assoziieren. Die Community ist jedoch um einiges vielfältiger und sollte als Ganzes auch die entsprechende Sichtbarkeit erfahren.
Zugegebenermaßen muss ich aber auch sagen, dass ich persönlich Coming Outs und Labels teilweise als unglaublich erdrückend und überholt empfinde. Ganz nach dem Motto „wieso müssen Heteros das nicht?“ kommt manchmal der Gedanke auf, wie unfair es ist, dass queere Menschen etwas so Persönliches wie ihre Sexualität erst einmal öffentlich mitteilen müssen, damit man danach nicht aufgrund der Wahl der Partner_innen komisch angeschaut wird. Ich erkenne aber durchaus, dass das ein aktuell noch sehr privilegierter Standpunkt meinerseits ist.
Die meisten haben nicht den Luxus eines so offenen Umfelds, dass jegliche Art von Queerness ohne großes Aufsehen sofort akzeptiert wird, dabei sollte es heutzutage eigentlich selbstverständlich sein. Leider betonen jedoch vergangene, aber auch aktuelle Ereignisse wie zuletzt der Angriff in Oslo, nur wiederholt, wie wichtig Sichtbarkeit jeder Art ist – und zwar nicht nur im Juni zum Pride Month als Pinkwashing Kampagne der gängigen Konzerne, sondern das ganze Jahr über ohne monetäre Gegenleistung. Ob im Büro, auf der Straße oder privat:
Sichtbarkeit schafft Akzeptanz, löst längst überfällige Normen auf und erleichtert das Leben besonders denjenigen, die ihre Queerness aus Angst vor Diskriminierung oder Anfeindungen (noch) nicht offen leben können.
Ich hoffe daher, dass der aktuelle gesellschaftliche Wandel sich so lange stetig vorwärtsbewegt, bis keine Person mehr wegen ihrer Identität in Angst leben muss – was im besten Fall nicht mehr allzu lange dauern wird.
Liebe Ruth, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …
Albert
51 Jahre, München
„Ich gehe jeden Tag in die Arbeit und
kann sagen „I am what I am“! …
Veröffentlicht: Mai 2022
Die Wanderung.
Ich erinnere mich noch gut an meine Schulzeit. Ich wuchs in einem sehr katholischen Umfeld auf. Katholische Klosterschule. Frühe 80er Jahre. In der 7. und 8. Klasse, die Pubertät in vollem Gange. Gleichzeitig war HIV/Aids ganz groß in den Schlagzeilen. Alles, was man damals wusste, war, dass man daran stirbt. Und so wurde ich geprägt – es gab ein Richtig und ein Falsch. Schwul = AIDS = falsch.
Erst viel später hat sich bei mir herauskristallisiert, dass ich schwul bin. Mein Coming Out hatte ich erst während meines Studiums. Nach dem Vorstudium ging ich für einen Masterstudiengang nach Wales. Welch gute Gelegenheit, auch meine sexuelle Orientierung zu entdecken. In diesem Findungsprozess musste ich gleich erleben, wie ein junger Schwuler durch den Ort gehetzt wurde. Schon wieder wurde in mir eingebrannt: schwul = falsch.
Aber, ich habe mich getraut. In London dann, nach meinem Studium, erlebte ich eine weltoffene Stadt, mit schwulen Bars, die Schaufensterscheiben hatten. Jeder konnte reinsehen. Was für ein befreiendes Gefühl. Zurück in meiner Heimatstadt Augsburg erlebte ich dann eine komplett andere Szene: Ich musste klingeln, um eingelassen zu werden. Die Fenster waren verklebt, damit uns keiner sieht.
Aber ich ließ mich jetzt nicht mehr unterkriegen, denn ich kannte ja London. Nahm am allerersten CSD in Augsburg teil und fühlte mich neben 20 anderen Personen superstolz.
Mein Berufsleben begann mit den üblichen „cost of thinking twice“. Damals war mir das noch nicht bewusst, denn meine gelernte Formel war ja „schwul = falsch“, also warum davon in der Arbeit erzählen. Ich war halt mit einem Freund oder mit Freunden unterwegs, mehr privates gab es von mir nicht. Bis mir ein Freund auf einer Wanderung mit dem Gay Outdoor Club erzählte, dass er bei BCG komplett out ist, dass sie ein Netzwerk haben und Dinge bewegen. Und natürlich kannte er einen Schwulen bei IBM, meinem damaligen Arbeitgeber. Er schrieb ihm direkt, dass da ein Kollege bei IBM ist, der ein Netzwerk unterstützen würde. Es dauerte keine 48 Stunden, bis seine Mail von dem Schwulen in Miami an einen Schwulen in London weitergeleitet wurde und der, Ken war sein Name, mich anrief.
Bis heute kennt Ken nur Regenbogenbunt, zurückstecken für die Community gibt es für ihn nicht. Seine erste Frage war: „Are you out? If yes, I can make you attend the next LGBT leadership conference at IBM New York next week.” Natürlich war ich nicht geoutet, und somit der Trip nach New York passé. Aber innerhalb der nächsten Woche outete ich mich gegenüber meinem Chef und meine Reise zum Thema LGBT*IQ am Arbeitsplatz begann. Ich gründete das LGBT*IQ-Netzwerk bei der IBM Deutschland, engagierte mich zu dem Thema auf europäischer Ebene innerhalb der Firma und bekam die erste Stelle in Europe im Vertrieb der IBM als sogenannter „GLBT Business Development Executive“.
Ich habe mir in all der Zeit hin und wieder richtig dumme Sprüche anhören müssen, manche davon machten mich sprachlos, aber echte Diskriminierungen habe ich nie erlebt. Die Unterstützung, die ich von den Out Executives bei IBM erlebt habe, haben in mir ein Selbstbewusstsein aufgebaut, sodass ich das Thema heute angstfrei vertrete. Über die verschiedenen Rollen, die ich bis heute innehatte, durfte ich Out-Persönlichkeiten, aber auch Allies kennenlernen, die mich inspiriert haben und nach wie vor antreiben, mit meinem Engagement weiterzumachen. PROUT AT WORK ist die Plattform dafür geworden, Jean-Luc wurde mein Partner in crime. Gemeinsam sind so tolle Ideen entstanden, haben wir uns gegenseitig ermutigt, dass PROUT AT WORK heute das ist, was es ist. Und ich jeden Tag motiviert in die Arbeit gehe und sagen kann „I am what I am“. Danke an alle, die mich zu dem werden haben lassen, der ich bin.